Eine siebenköpfige Schülergruppe unter Leitung von Herrn Lang hatte dank der Unterstützung des Vereins "Nachwuchskräfte für Europa" und des Deutsch-Polnischen Jugendwerks die Möglichkeit, vom 20. bis 26.11.2016 an einem internationalen Seminar "Kunst in Auschwitz" teilzunehmen. Sie kamen mit tiefen Eindrücken zurück.
Man sagt Auschwitz verändere Menschen,
ich glaube nach unserer Woche dort können wir dem durchaus zustimmen.
Nach einer 16 Stunden langen Busfahrt (und anschließendem Nickerchen) wurden wir, sieben SchülerInnen der JG1 und Herr Lang zusammen mit einer gleich großen polnischen und einer tschechischen Gruppe in der Jugendbegegnungsstätte Oswiecim untergebracht. Wir machten uns Gedanken, mithilfe von Dolmetschern, wie intensiv sich die verschiedenen Länder mit dem Thema befassen und merkten, dass in Polen viel Wert auf polnische Gefangene gelegt wird und man sich sehr als Opfer fühlt, in Deutschland es aber eine bestimmte Staatsschuld gibt, selbst heute noch, man fühlt sich verantwortlich für den Holocaust und man möchte bei dem Thema auch am liebsten kein Deutscher sein. Unser eigentliches Thema „Kunst in Auschwitz“ brachte uns in Berührung mit Werken von Häftlingen, die entweder herausgeschmuggelt, nach dem Krieg gefunden, erst gemalt oder von der SS in Auftrag gegeben wurden. Anders als erwartet sahen die Bilder, die im Lager gemalt wurden, oft erstaunlich freundlich aus. Ein Künstler erklärte sich später, er sagte, er wollte die Menschen, die er porträtierte, schöner darstellen, so wie sie im normalen Leben ausgesehen haben, mit Haaren und schönen Kleidern. Am Tag darauf besuchten wir das Stammlager Auschwitz I, das heute ein Museum ist. Jede Gruppe bekam die Führung in ihrer Muttersprache und wir Deutschen, kann ich sagen, waren geschockt. Im Museum Schuhe, Haare, Bürsten, Gasdosen, die erste Gaskammer mit Kratzspuren an den Wänden und die Todeswand, an der viele erschossen wurden, zu sehen war sehr intensiv und nicht in Worte zu fassen schrecklich. In einer Fünf-Minuten-Pause sanken wir zusammen auf den Boden, absloute Stille, nur einige, die angefangen hatten zu weinen, waren zu hören.
Nach dem Mittagessen erzählte uns die tschechische Gruppe, die Helga Hošková-Weissová, eine überlebende Künstlerin aus Theresienstadt, besucht hatte, von Helgas Leben im Ghetto Theresienstadt, in das sie schon als kleineres Kind kam und die Aufforderung ihres Vaters befolgte: „Zeichne was du siehst.“ Am Tag darauf bekamen wir dann Führungen durch Auschwitz II Birkenau, das zweite Lager, das fast nur als Vernichtungslager gedacht war und nicht mehr als Arbeitslager, gigantisch groß, Stacheldraht, so weit man blickt, und nur noch provisorische Pferdeställe als Unterbringung, dazu fünf Gaskammern und dem Plan, das Lager noch weiter auszubauen. Die Züge fuhren direkt ins Lager und nach dem Aussteigen wurde sortiert, Frauen und Kinder direkt zur Gaskammer und Arbeitsfähige sollten noch, wenn sie Glück hatten, einige Monate überleben. Es ist einfach unvorstellbar, wie Menschen zu so etwas fähig sind, es als „das Richtige“ befinden. Nach dem Mittagessen an diesem Tag bekamen wir einen Vortrag, wie Auschwitz in der Moderne und der Popkultur vorkommt, so gibt es zum Beispiel etliche Filme, Superman Comics, oder Disney-Filmchen, mit einer Ente als Hitler. Wir sahen uns die Kunstwerke, mit denen wir uns befasst hatten, dann in echt an, in einer kleinen Ausstellung in Auschwitz I, sortiert nach a): in Auftrag gegeben von der SS (zum Beispiel Pläne vom Lager, Landschaftsbilder, oder Zeichnungen zu „medizinischen“ Zwecken, Leute, mit denen Experimente gemacht wurden), b): Bildern aus der Zeit im Lager (oft Bleistiftzeichnungen auf kleineren Papierstücken) und c): Bildern aus der Zeit nach dem Lager von Häftlingen, die überlebt hatten (düstere Bilder, zeigen viel Leid). Nachmittags waren wir im jüdischen Museum und der Synagoge von Oswiecim und lernten so etwas über den Holocaust speziell in dieser Stadt, in der einst Juden und Christen in Frieden zusammenlebten. Abends waren wir in einer sehr eindrucksvollen Ausstellung des Überlebenden Marian Kolodziej mit der Häftlingsnummer 432. Dieser Mann hatte mehrere Jahre im Konzentrationslager überlebt und wollte nach seiner Befreiung auch mit niemandem darüber reden, jahrzehntelang. Erst als er alt und krank war, beschloss er mit seiner letzten Kraft eine Ausstellung zu schaffen und das tat er 15 Jahre lang, obwohl es ihm in psychische Qualen versetzte. Das Ergebnis war überwältigend, beeindruckende Zeichnungen von abgemagerten Häftlingen, Totenköpfen und sehr viel Symbolik. Besonders bewundert hat er den Franziskanerpater Maximilian Kolbe, der für einen anderen Mann in den Tod ging (zwei Tage vorher hatten wir dessen Gedenkstätte im Todestrakt von Auschwitz I gesehen). Gegen Ende unseres Seminars war ein Tag in Krakau eingeplant, wir bekamen eine Führung, hatten den restlichen Tag über Freizeit und besuchten dann mit Herrn Lang noch die Marienkirche. Nach einem Abschiedsabend mit polnischen Süßigkeiten fuhren alle Gruppen am nächsten Tag wieder zurück, die polnische Gruppe nach Kattowitz und die tschechische nach Prag. Wir Deutschen traten die weite Busfahrt zurück nach Stuttgart an, um ein weites Spektrum klüger, denn wer seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.
Text: Marie Neusser Fotos: Christian Lang